Führungskräfte und Stress

Individuelle Beratung von Führungskräften in Unternehmen und sozialen Einrichtungen

Zu viele Anforderungen und zu wenig Entspannung: Diese Mischung prägt unsere Zeit und lässt uns in zunehmend mehr Momenten ein ungesundes Maß an Stress erleben. Wobei die Betonung auf „ungesundes Maß“ liegt. Denn grundsätzlich ist Stress nicht ungesund. Stress ist nicht falsch und nichts, was wir unter allen Umständen vermeiden sollten. Ganz im Gegenteil ist Stress eine normale und sogar förderliche Reaktion des Organismus auf innen und äußere Ereignisse. In diesem Prozess werden unsere Sinne geschärft und auf körperlicher Ebene Stoffe ausgeschüttet, die uns erlauben, besondere Leistungen zu vollbringen. Das ist in vielen Situationen ausgesprochen nützlich. Der Spezies Mensch hat es in der Evolutionsgeschichte das Überleben gesichert.

Der Körper hat seine eigenen Gesetze

Wir können den Stress, den das Leben mit sich bringt, also gar nicht vermeiden, weil der Körper seine eigenen Gesetze hat, wie er auf die natürlichen Anforderungen und Angebote reagiert. Im Grunde kommt der menschliche Organismus sogar überraschend gut mit Stress zurecht. Was aber zunehmend mehr Menschen geradezu erschöpfen lässt, sind die fehlenden Phasen der Erholung und des Abschaltenkönnens. Es scheint, als habe kein Tag mehr genügend Stunden für all die vielen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, und für all die vielen Unterhaltungsangebote, die es zu erleben gibt. Unser Geist ist ständig auf Achse und zunehmend dort, wo unser Körper gerade nicht ist. Dadurch kann uns die Übersicht abhanden zu kommen. Wenn die Dinge schlecht laufen, verlieren wir sogar das Gefühl für das, was wichtig ist in unserem Leben und in unserem beruflichen Alltag. Das ist grundsätzlich eine unvorteilhafte Situation – für Führungskräfte und Mitarbeiter in Leitungsfunktion ganz besonders. Denn es ist ihre Kern-Aufgabe, aus einer Vielzahl von Optionen die jeweils besten Lösungen auszuwählen.

Hinhören lernen: Was genau ist gefordert?

Achtsamkeit mag ein fast schon inflationär gebrauchter Begriff sein. Aber er ist aus gutem Grund in aller Munde. Denn eine auf Achtsamkeit basierende Lebenseinstellung kann helfen, die Übersicht zu wahren oder wieder zurückzugewinnen – und wieder das Wichtige vom Drängenden unterscheiden zu lernen. Die Praxis der Achtsamkeit übt uns darin, nicht reflexhaft auf Anforderungen zu reagieren, sondern genau hinzuhören: Was genau ist gefordert und wie dringend ist es wirklich – und vor allem für wen? Dieses Hinhören ist Kommunikation mit sich selbst. Es lässt einen Raum entstehen zwischen Reiz und Reaktion. In diesen Raum kann Klarheit und Kreativität fließen. In unserer rastlosen Zeit wird dies zunehmend zur entscheidenden persönlichen Fähigkeit, um als Führungskraft kluge Entscheidungen zu treffen.

Nichts, was wir extra tun müssen

Wenn wir uns dem Wesen der Achtsamkeit nähern, können wir erkennen, dass es sich bei diesem Wort um einen Sammelbegriff handelt für grundsätzliche menschliche Eigenschaften wie Offenheit, Akzeptanz, Freundlichkeit, Wertfreiheit, Geduld und Vertrauen. Ebenso für Klarheit und Mut. Das alles sind natürliche Möglichkeiten unseres Empfindens und Verhaltens und damit im Grunde nichts besonders Ungewöhnliches. Achtsamkeit ist nichts, was wir extra tun müssen, es ist vielmehr die Art, wie wir innerlich gesammelt unsere Alltagsroutinen leben. Wir üben sie, indem wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf unseren Körper, diese Zeit und diesen Ort richten. Und uns bewusst dafür entscheiden, freundlich und unvoreingenommen dabei sein zu wollen, um auf dieser Basis stimmige und kraftvolle Entscheidungen treffen zu können.

Dirk Biermann